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Friesenstube

„Da vorne, direkt hinterm Sportplatz, da hat der Boss gewohnt“, erinnern sich viele Anwohner in Essen-Frohnhausen und zeigen auf das weitläufige Gelände der Bezirkssportanlage Raumerstraße. Viele der Menschen, die in diesem Essener Stadtteil wohnten, kannten „den Boss“ Helmut Rahn nicht nur aus Erzählungen. Sie ließen sich vielmehr von Rahn persönlich erzählen, wie das damals war. In der Schweiz, in Bern, mit dem Herberger und dem Fritz und vor allem dem Tor, das zum Wunder führte. „Helmut, erzähl mich dat Tor“, wurde Rahn bisweilen aufgefordert, wenn er in seine Stammkneipe, die „Friesenstube“, mitten in Frohnhausen ging. Meist hatte Rahn keine Lust, von früher zu erzählen. Sicher, im Mannschaftsbus soll er die Lieder angestimmt haben und mit allen Wassern von Rhein und Ruhr gewaschen gewesen sein. Doch das musste er ja nicht jedem zeigen. Der Vater zweier Söhne kümmerte sich lieber um seinen Schrebergarten, als Interviews zu geben.

Wenn seine Kumpels aber nur lange genug bettelten, ließ sich der Boss erweichen und plauderte. Meist machte er das am Tresen, kurz und bündig zwar, aber mit viel Liebe. Auf der Theke postierte er einige Pilsgläser und Kornflaschen, die die Spieler darstellten. „Hier stand ich und da vorne der Hans Schäfer“, erklärte Rahn indem er auf die Glasutensilien zeigte. Schäfers Ball wurde abgeblockt und „die Pille“ landete vor Rahns Füßen. „Da seh ich, wie der Grosics am Rutschen ist, ich also drauf, zwischen den Ungarn hindurch und hab geschossen“, erzählte der Boss, stellte noch schnell ein Glas, das den ungarischen Keeper Gyula Grosics darstellte, in den Winkel und schaute einer eiligst geformten Papierkugel hinterher, die er an Grosics vorbeitrudeln ließ. Mehr musste Rahn nicht sagen. „Den Rest wisst ihr ja“, beendete der Weltmeister seine Ausführungen und war mit sich und der Welt zufrieden.

Dieter Eilers, der die Friesenstube seit 1999 führt, lernte Rahn schon in den 1960er-Jahren kennen. „Damals war ich 16 und durfte noch kein Bier trinken. Für uns war es aber eine Sensation am Tresen einem zu begegnen, der im WM-Finale zwei Tore geschossen hatte“, erinnert sich Eilers. Rahn war auch sofort dabei, als die Friesenstube eine Thekenmannschaft gegründet hat. „Er pölte dann jede Woche auf dem Aschenplatz mit. Glauben Sie, ein Günter Netzer oder Lothar Matthäus würde auf Asche für eine Wald- und Wiesenmannschaft spielen? Helmut hat es mit Freude getan“, meint Eilers. „Er war ein Typ wie du und ich und vom Starkult weit entfernt“, erzählen sich noch heute die Menschen am Tresen der Friesenstube, an deren Wänden viele Bilder und Trikots an den „Boss“ erinnern. Nicht nur für Fußballfreunde ist es daher Pflicht, in die Kultstätte Friesenstube einzukehren. Die Geschichten, die hier erzählt werden, sind das Trinkgeld wert.

Am 14. August 2003 verstarb Helmut Rahn und wurde auf dem benachbarten Margarethen-Friedhof beerdigt. An seinem Grab sollen sich manchmal seine Bekannten treffen und sagen: „Helmut, erzähl mich dat Tor.“


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