Alle Städte im Überblick

Seidenweberhaus

Ob das Seidenweberhaus nun ein interessantes Gebäude oder ein architektonischer Missgriff sei, darüber stritten die Krefelder Bürger bereits bei der feierlichen Eröffnung am 10. Januar 1976 äußerst intensiv. Zu unfreundlich sei die Betonfassade, meinten einige, die das Seidenweberhaus abfällig „das Ding“ nannten. Andere priesen die aus Sechsecken zusammengesetzte Form und wiesen auf den modernen Anspruch der Stadt hin. Allzu gerne wollte man stets die „Perle am Niederrhein“ sein und auch die Landeshauptstadt Düsseldorf in dieser Hinsicht überflügeln. Zweifellos war der als Veranstaltungs- und Bürgerzentrum deklarierte Bau bei seiner Fertigstellung aber ein einzigartiges Werk, in dessen Räumlichkeiten zu Konzerten und Vorträgen rund 1.200 Personen Platz fanden.

In die überregionalen Schlagzeilen geriet das Seidenweberhaus erstmals am 25. Juni 1983, als Bundeskanzler Helmut Kohl gemeinsam mit Bundespräsident Karl Carstens hier den US-Vizepräsidenten George Bush begrüßte. Anlass war die „Philadelphiade“, ein fröhlich beschwingtes Bürgerfest, das 300 Jahre nachdem 13 Krefelder Familien in die USA auswanderten, abgehalten wurden. Dies galt auch als Geburtsstunde der US-Stadt Philadelphia. In Zeiten der Nachrüstungsdebatte nutzten Friedensbewegung und andere Teile der alternativen Szene den Besuch des US-Repräsentanten jedoch zu allerlei Protestmärschen und das Volksfest geriet zur Kundgebung mit weißen Friedenstauben und tieffliegenden Eiern. Obwohl Bush und Kohl über Schleichwege das Seidenweberhaus erreichten, dürfte ihnen der Nachmittag wenig freundlich in Erinnerung geblieben sein. Krefeld wurde jedenfalls von der Besuchsliste der Staatsoberhäupter gestrichen.

Am 27. Mai 1985 ging es auf dem Theaterplatz wesentlich euphorischer zu. Krefeld erwartete seine Pokalhelden, die tags zuvor für den größten Erfolg der Vereinsgeschichte gesorgt hatten und in der niederrheinischen „Eishockeystadt“ alles andere in den Schatten stellten. Aber die Fans hatten auch allen Grund zur Mega-Party. Als krasse Außenseiter waren die Blau-Roten nach Berlin, in dessen Olympiastadion erstmals ein DFB-Pokalfinale ausgetragen wurde, gefahren. Der Gegner war kein Geringerer als der FC Bayern München, der bis dahin noch nie ein nationales Cup-Endspiel verloren hatte und mit seinen Starspielern um Lothar Matthäus, Klaus Augenthaler, Wolfgang Dremmler und Dieter Hoeneß nur so vor Selbstbewusstsein strotzte. Eine Niederlage war in der Welt der Bajuwaren nicht vorgesehen.

Die größte Geschichte des Nachmittags schrieb aber Stürmer Wolfgang Schäfer, den sie fortan nur den „Cup“ nannten. Einerseits, weil er den Siegtreffer zum 2:1 erzielte, vor allem aber weil er – so sagt es die Legende - den DFB-Pokal in der Nacht mit auf sein Zimmer nahm und friedlich daneben einschlummerte.

Es war die 67. Minute in Berlin, als das Wunder von Berlin Gestalt annahm: Schäfer rannte seinem Gegenspieler Eder davon und traf mit einem Flachschuss zum 2:1. Ganz Berlin jubelte, auch die neutralen Zuschauer hatten längst ihr Herz für den sympathischen Außenseiter, der so leidenschaftlich kämpfte, entdeckt.

Noch in Berlin machte das Team von Trainer „Kalli“ Feldkamp ein Fass auf, fuhr in offenen Bussen durch die Straßen und ließ sich sogar auf dem Ku-Damm feiern. Danach wurde in Krefeld auf den sechseckigen Balkonen des Seidenweberhauses gefeiert. Tausende ließen ihre Helden, die fortan keine „grauen Mäuse“ mehr waren, hochleben. Über architektonische Fragen wurde auf dem Theaterplatz an diesem Tag nicht gestritten.


Weitere Ausflugsziele